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Peitlerkofel Nordwand Hruschka (VI), Dolomiten; 19.09.2020

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  • Peitlerkofel Nordwand Hruschka (VI), Dolomiten; 19.09.2020

    Ob man am vorletzten Septemberwochenende noch in eine relativ hoch gelegene Nordwand einsteigen soll, wenn es an den Vortagen zum Teil geregnet hat, ist fraglich. Doch wir waren motiviert etwas Längeres in den Dolomiten zu klettern und die Nordwand des Peitlerkofels drängte sich geradezu auf. Wir hatten sie schon so oft aus den Zentralalpen gesehen und sie ist die von uns am schnellsten erreichbare unter den großen Dolomitenwänden.

    Als wir die Straße zum Würzjoch hochfuhren, hatten wir viel Zeit über unseren Plan nachzudenken. Statt auf Berge starrten wir in Wolken. Immerhin zeigte das Auto-Thermometer relativ hohe Werte an. Es würde schon gehen. Nach einer erfolgreichen Sommersaison stimmte zumindest das Selbstvertrauen. Wir hatten Corona-bedingt zwar nicht das Schwierigkeitsniveau nach oben schrauben können, aber dafür einige besonders lange und alpine Touren klettern können.
    Vom Würzjoch wanderten wir zur Kompatschwiese. Direkt hinter dem Wiesenplateau musste ein Schutt-Schrofen-Gürtel liegen und darüber die Wand. So viel wussten wir, doch wir sahen nichts.
    Während wir diskutierten, wo der Einstieg liegen würde und wie wir ihn finden könnten, begannen die Wolken aufzureißen. Ein besseres Timing hätte es nicht geben können. Himmelhoch ragte die Nordwand des Peitlerkofels in den Himmel. Es gab keinen Zweifel mehr, wohin wir gehen mussten. Über zunehmend schuttigen Untergrund stiegen wir auf. Jeder Block, jeder Stein, den wir sahen und berührten, war nass. Vor fast genau einem Jahr am Totenkirchl war im Zustieg ebenfalls alles triefend nass gewesen und wir wurden von einer trockenen Wand empfangen. Die Erfahrung baut Brücken, um die Motivation und den Glauben an die Tour nicht zu verlieren.

    Heute war die Wand nicht ganz trocken, aber in einem vernünftig kletterbaren Zustand. In den ersten sieben Seillängen steckte kaum Material und die Absicherbarkeit war über weite Strecken schlecht. Sogar einige Stände waren zweifelhaft eingerichtet. Aber Form und Selbstvertrauen stimmten und über den vierten Grad gingen die Schwierigkeiten nicht hinaus. So kamen wir zügig zur Schlüsselstelle – einem zehn Meter hohem, senkrecht bis leicht überhängenden Wandstück. Hier steckten sieben Zwischenhaken und damit mehr als auf den 15 anderen Seillängen. Franzi zog die Handschuhe aus und stieg trotz leicht kalter Finger gewohnt souverän vor. Bei mir war es deutlich weniger flüssig, aber ich kam frei nach.

    Nach zwei weiteren Seillängen endete der Genussklettermodus schlagartig. Irgendwie konnte ich das Geschlängel aus dem Topo nicht mit der Wandstruktur in Einklang bringen und mir kam das Gelände zum Teil schwieriger vor als im Topo angegeben. Ich suchte und machte einen viel zu großen Linksschlenker, der das Schwierigkeitsniveau relativ weit unten hielt, aber große Seilreibung einbrachte. Wegen dieser beendete ich die Länge an einer Sanduhr ein Stück unterhalb des eigentlichen Stands. Franzis Länge zeigte wieder jede Menge Geschlängel mit einer Sanduhr in der Mitte. Diese fand Franzi nicht und stand am Ende mehr als 40 Meter über der letzten Zwischensicherung. Beim Nachstieg war ich beeindruckt. Wirklich schwierig war die Länge nicht, aber auch nicht einfach, und 30 Meter oder mehr über der letzten Zwischensicherung muss man bei unklarer Linienführung erst einmal klettern.

    Angesichts der unerwarteten Schwierigkeiten der beiden Seillängen entschieden wir uns dagegen die letzten vier Länge seilfrei zu klettern, was aber problemlos möglich gewesen wäre. Vom Ausstieg war es nur noch ein Katzensprung zum fast menschenleeren Gipfel. Kurz waren wir sogar die einzigen auf dem Gipfel. Das hatten wir an einem Samstagnachmittag nicht erwartet. Nach der schattigen Nordwand genossen wir die Sonne. Aussicht gab es wegen vieler Wolken leider kaum.
    Der Abstieg vom Peitlerkofel ist nur Formsache. So wanderten wir bald wieder über die Kompatschwiese und bewunderten die nun wolkenfreie Nordwand. Dort sollen wir durchgeklettert sein? Das kann doch gar nicht sein.


    Fazit:
    Unter den großen Dolomitenwänden ist die des Peitlerkofels eine eher kleine. Trotz der bis auf die Schlüsselstelle moderaten Schwierigkeiten sollte man die Hruschka-Führe nicht unterschätzen. Es steckt kaum fixes Material und die Absicherbarkeit ist meist eher schlecht. Man muss im vierten Grad auch weit über der letzten Zwischensicherung sicher klettern können. Für die Schlüsselstelle schwanken die Angaben zwischen VI- und VII-. Wir würden sie mit VI bewerten.
    Wir können die Tour allen empfehlen, die den Anforderungen gewachsen sind.
    "Glück, das kann schon sein: man hat es fast hinter sich und einen Schluck Wasser noch dazu." (Malte Roeper)

    https://www.instagram.com/grandcapucin38/

  • #2
    Endlich sahen wir die Wand
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    Schon eindrucksvoll
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    Blick in den zentralen Wandteil. Die Hruschka führt durch einen weniger kompakten Wandteil weiter links.
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    Kurze Kletterstelle im Zustieg (bzw. laut einigen Beschreibungen in Seillänge 1)
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    Danach ging es richtig los
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    Weiter oben, aber noch im unteren Wandteil
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    Blick in die Schlüsselstelle
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    Franzi schon mittendrin
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    • #3
      Seillänge 9 von unten
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      und von oben
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      Der überhängende Wandteil wird links umgangen
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      Im anspruchsvollerem Teil des Quergangs in Länge 10
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      Am Beginn der elften Länge. Wo geht es lang?
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      Franzi kurz vor dem Ausstieg
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      Beim Abstieg war die Sicht zur Wand gut
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      Ein letzter Blick zurück
      image_601309.jpg
      Zuletzt geändert von placeboi; 26.09.2020, 22:01.
      "Glück, das kann schon sein: man hat es fast hinter sich und einen Schluck Wasser noch dazu." (Malte Roeper)

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      • #4
        Gratulation, da seid ihr wirklich gut drauf.

        Ich hab beim Betrachten der Bilder wieder einmal feuchte Finger bekommen....

        Ein (vermutlich) toller Saisonabschluss.

        Habt ihr am 08.09.2011 auch schon an diese Tour gedacht ?

        LG, Günter



        Meine Touren in Europa

        Nicht was wir erleben, sondern wie wir es empfinden, macht unser Schicksal aus.
        (Marie von Ebner-Eschenbach)

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        • #5
          Ein toller Bericht von einer recht eindrucksvollen Wand!
          Schlecht bzw. antiquarisch abgesichert, teils schwierige Routenfindung - das fordert ganz ordentlich. Gut, dass du so eine souveräne Seilpartnerin hast! Und - dass ihr euch offenbar auch gut ergänzt. Gratuliere euch!
          Über die schlechte Absicherung von Dolomitentouren wurde schon so viel diskutiert, ist leider ein trauriges Kapitel. So gerne würde ich manchen Klassiker von anno dazumal nochmals gehen, weiß aber, dass ich dort das gleiche - inzwischen 30-40 Jahre gealterte Material - vorfinde und nicht einmal eingerichtete Standplätze.

          LG

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          • #6
            Ein herrlicher Tourenbericht.
            Die Fotos sind trotz Nordwandambiente sehr gut
            geworden.

            Genau wie du es hier schilderst, so habe ich die meisten Dolomitenklettereien noch in Erinnerung.

            LG. Sigi

            Kommentar


            • #7
              Zitat von mountainrabbit Beitrag anzeigen
              Gratulation, da seid ihr wirklich gut drauf.

              Ich hab beim Betrachten der Bilder wieder einmal feuchte Finger bekommen....

              Ein (vermutlich) toller Saisonabschluss.

              Habt ihr am 08.09.2011 auch schon an diese Tour gedacht ?

              LG, Günter
              Abschluss der Sommersaison ja, aber nicht der Alpinklettersaison. Der Schnee wird so weit zurückgehen, dass wir heuer noch sonnseitig die eine oder andere Tour klettern werden. 2011 hätte ich nicht daran gedacht, dass ich die Wand einmal durchsteigen würde.

              Zitat von tauernfuchs Beitrag anzeigen
              Ein toller Bericht von einer recht eindrucksvollen Wand!
              Schlecht bzw. antiquarisch abgesichert, teils schwierige Routenfindung - das fordert ganz ordentlich. Gut, dass du so eine souveräne Seilpartnerin hast! Und - dass ihr euch offenbar auch gut ergänzt. Gratuliere euch!
              Über die schlechte Absicherung von Dolomitentouren wurde schon so viel diskutiert, ist leider ein trauriges Kapitel. So gerne würde ich manchen Klassiker von anno dazumal nochmals gehen, weiß aber, dass ich dort das gleiche - inzwischen 30-40 Jahre gealterte Material - vorfinde und nicht einmal eingerichtete Standplätze.

              LG
              Das wenige fixe Material in der Hruschka hat überwiegend einen guten Eindruck gemacht. Das meiste dürfte deutlich neuer sein. In den Dolomiten bin ich aber auch schon an Stände gekommen, die von einem deutlichen Modergeruch von den halbverwesten Schlingen gezeichnet waren.

              Zitat von BERGMAXI Beitrag anzeigen
              Ein herrlicher Tourenbericht.
              Die Fotos sind trotz Nordwandambiente sehr gut
              geworden.

              Genau wie du es hier schilderst, so habe ich die meisten Dolomitenklettereien noch in Erinnerung.

              LG. Sigi
              Danke. Ja, Dolomiten-Touren sorgen oft für bleibende Erinnerungen.
              "Glück, das kann schon sein: man hat es fast hinter sich und einen Schluck Wasser noch dazu." (Malte Roeper)

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              • #8
                Zitat von placeboi Beitrag anzeigen
                2011 hätte ich nicht daran gedacht, dass ich die Wand einmal durchsteigen würde.
                Diesen Satz kann ich etwas variiert übernehmen:
                Bei der Gemeinschaftstour 2011 hätte ich nie angenommen, dass ich mit zweien unterwegs sein könnte, die diese Nordwand einmal bezwingen werden.

                Herzlichen Glückwunsch zu eurer anspruchsvollen Dolomitenklettertour!

                Der Peitlerkofel bietet insgesamt einen tollen Anblick, und das Gipfelpanorama ist großartig.
                Aber die Fotos eurer Klettertour können da problemlos mithalten. Speziell die Tiefblicke haben etwas Spektakuläres an sich.


                Lg, Wolfgang


                Für mich ist Dankbarkeit ein Weg,
                der sowohl für den Einzelnen
                wie für die Welt zukunftsweisend ist.
                (David Steindl-Rast)

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                • #9
                  Bei dem (selbst für Dolomitenverhältnisse) "sportlichen" Absicherungszustand ziehe ich den Hut vor eurer mentalen Leistung!
                  Hammer/Haken habt ihr bei sowas nie dabei?
                  carpe diem!
                  www.instagram.com/bildervondraussen/

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                  • #10
                    Zitat von Wolfgang A. Beitrag anzeigen
                    Herzlichen Glückwunsch zu eurer anspruchsvollen Dolomitenklettertour!

                    Der Peitlerkofel bietet insgesamt einen tollen Anblick, und das Gipfelpanorama ist großartig.
                    Aber die Fotos eurer Klettertour können da problemlos mithalten. Speziell die Tiefblicke haben etwas Spektakuläres an sich.
                    Danke dir.

                    Zitat von Gamsi Beitrag anzeigen
                    Bei dem (selbst für Dolomitenverhältnisse) "sportlichen" Absicherungszustand ziehe ich den Hut vor eurer mentalen Leistung!
                    Hammer/Haken habt ihr bei sowas nie dabei?
                    Hammer und Haken liegen bei uns fast immer daheim. Eigentlich nehmen wir sie nur mit, wenn wir davon ausgehen, dass die Stände schlecht sind, und da wir eigentlich nicht in Touren im Kalk einsteigen, bei denen wir von schlechten Ständen ausgehen, nehmen wir sie eigentlich nie mit.
                    "Glück, das kann schon sein: man hat es fast hinter sich und einen Schluck Wasser noch dazu." (Malte Roeper)

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                    • #11
                      Herzlichen Glückwunsch und Hut ab! Die Fotos zeugen vom beeindruckenden Ambiente vom mentalen Anspruch der Wand. Toll, dass Ihr solche Wände souverän durchsteigen könnt.
                      Tourenberichte und Sonstiges auf www.deichjodler.com

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                      • #12
                        Zitat von Deichjodler Beitrag anzeigen
                        Herzlichen Glückwunsch und Hut ab! Die Fotos zeugen vom beeindruckenden Ambiente vom mentalen Anspruch der Wand. Toll, dass Ihr solche Wände souverän durchsteigen könnt.
                        Danke. Zum Glück kommt die mentale Stärke über die Saison. Wenn ich daran denke wie schwer ich mir nach der langen Zwangspause Anfang Juni getan habe...
                        "Glück, das kann schon sein: man hat es fast hinter sich und einen Schluck Wasser noch dazu." (Malte Roeper)

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                        • #13
                          Zitat von placeboi Beitrag anzeigen

                          Danke. Zum Glück kommt die mentale Stärke über die Saison. Wenn ich daran denke wie schwer ich mir nach der langen Zwangspause Anfang Juni getan habe...
                          Ja, geht mir auch so - nur halt auf etwas anderem Niveau.
                          Tourenberichte und Sonstiges auf www.deichjodler.com

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