Hier ein Blick zur Petit Jorasses, auch dort gäbe es tolle Routen:
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Es wird ein enges Biwak, aber wir kochen Tee und machen uns es so gemütlich, wie es geht.
Wieder bewähren sich Fußsack und Daunenjacke prächtig, perfekte Kombination.
Mit einem traumhaften Sonnenuntergang über den Nadeln der Periades, der Aig. di Midi, der Aig. di Plan versinkt dieser Tag in immer dunkler werdenden Schattenrissen.
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Die Nacht war unruhig aber leidlich. Ganz früh schon nähern sich mehr und mehr Lichter dem Walkerpfeiler. Massenhaft strömen die Seilschaften in diese bekannte Route. Später werden wir erfahren, dass es gut zwanzig waren…
Das beunruhigt uns etwas, weit mehr als das Wissen, dass wir uns in einer so großen Alpenroute befinden. Wir wollten gemütlich frühstücken, aber bald sehen wir ein, dass wir hier nicht trödeln können.
Morgensteif rappeln wir uns hinüber über den Seilquergang.
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Der nächste Stand ist ein traumhafter Biwakplatz. Wenn wir das gewusst hätten…
Wunderbar und nicht einmal so fordernd ist auch die weitere Kletterei. Bald schon erreichen wir die sogenannten „grauen Platten“. Wieder genussvolle Kletterei, bei Weitem nicht so kraftraubend wie an der Dru Nord.
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Bald haben wir eine Seilschaft eingeholt. Weil´s schwerer wird, warten wir halt ein wenig.
Doch schon rücken Seilschaften von unten nach. Jetzt sind wir in der Zange. Bald kommen rücksichtslose Überholer. Kein Mensch scheint hier warten zu können. Als ich vor einer schweren Seillänge etwas Abstand zum Vordermann lassen will, stürzen gleich zwei Franzosen vor. Auf meinen leichten Protest hin meinen sie nur: „Vite!“
Französisch kann ich nicht, aber Gerhard meint das hieße so etwas wie „schnell“.
Also gut, sollen sie halt vorbei klettern, wie sie meinen: vite – schnell…
Doch gar so schnell sind sie nicht. Ständig müssen wir nun warten und zusehen wie andere Nachfolger in einem brachialen Hau-ruck-Stil den Walkerpfeiler machen. Unbekümmert wird an allen alten Schlingen und rostigen Haken gezogen und windige Stände gemacht.
Wir sind mit dem Vorhaben eingestiegen, die Route so sauber wie möglich zu klettern, was sich hier aber vor unseren Augen abspielt ist erbärmlich. Viele wollen offenbar nur den Walkerpfeiler abhaken, fast in panischer Angst, so will es uns scheinen, wollen sie nur möglichst rasch irgendwie durch.
Ein weiteres Mal warte ich hinter der „Vite-Seilschaft“, halte Abstand. Doch dann meine ich, dass die Platten etwas links der Route ebenfalls machbar sein müssten. Kurzerhand klettere ich wenige Meter links der Seilschaft ohne jeglichen Haken vorbei. Auf gleicher Höhe mit dem anderen Vorsteiger, der sich gerade inbrünstig an einem Haken aufzieht, kann ich es mir nicht verkneifen: In bestem Steirerdialekt rufe ich hinüber: „Wos is jetz mit „Vite“?
(Diese Anekdote erzählen wir uns noch heute, wenn das Thema Walkerpfeiler aufkommt.)
Na gut, die Seilschaft hätten wir abgehängt – trotzdem: Auch wir können nicht mehr so entspannt klettern und als eine schwierige Stelle folgt, können wir diese einfach nicht frei probieren – also A0, zum vierten Mal in dieser Tour, aber es geht nicht anders: Der „Nachdruck“ der Seilschaften ist zu groß, wir brauchen Abstand.
Den gewinnen wir unter dem „Firndreieck, das es in diesem Sommer so gut wie nicht mehr gibt. Kurzfristig folgt geneigteres Felsgelände, dafür fliegen die Steine aus der brüchigen Verschneidung darüber. Wir sind etwas abgebrüht vom Dru, aber eine andere Seilschaft, die gerade am Eiger war, versichert uns, dass sie dort solchen Steinschlag nicht erlebt hätte…
Wir sind froh, als wir die brüchige Verschneidung erreicht haben.
Drei Italiener sind jetzt vor uns. Wir wollen abwarten, bis sie oben sind. Aber nein – bereitwillig bieten sie uns den Vortritt an, scheinen überhaupt die Ruhe selbst zu sein.
Wie angenehm nach all der Hektik doch wieder auf schon verloren geglaubte Bergkameradschaft zu stoßen!
Der folgende Teil ist heikel und schwer und der Fels verlangt zarte Behandlung. Die geben wir ihm und schaffen es tatsächlich, dass uns kein Steinchen auskommt. Ein paar steile Platten noch, dann - beinahe plötzlich - nehmen die Schwierigkeiten ab
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und ein leichter, aber etwas vereister Quergang
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bringt uns in leichtes Gelände.
Weitere, einfachere Platten bilden ein nettes Finale mit prächtigen Tiefblick
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Dann steigen hinaus in die Sonne, zum Gipfel, glückliches Händeschütteln, geschafft!
Gemütlich rasten wir und schauen zum Montblanc
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Über den Firngrat rechts kommen gerade andere Bergsteiger rüber und – kaum zu glauben – es sind zwei unserer Bergkameraden aus Graz! Sie haben den Westgrat hinter sich – auch nicht schlecht! Wir gratulieren uns gegenseitig.
Nach langem Rasten, Schauen packen wir den langen Abstieg an. Kein Honiglecken!
Erst zwar ein eher gemütlicher Gletscher, dann aber langes Abklettern am Sporn der
Pte. Whymper. Ein wüster Bergschrund, Abseilen und gleich nochmals…
Eine steile Querung über einen zerklüfteten Gletscherhang bildet das nächste Hindernis.
Während wir noch überlegen, wie wir am besten rüber kommen, rast vor unseren Augen eine Steinlawine runter. Ein paar Minuten später und sie hätte uns erwischt…
Doch es hilft nichts: Wir müssen die Stelle queren, anders geht´s nicht.
Konzentriertes Steigen, rasch, rasch und dazu genau die Steigeisen setzen! Dazu dieser Gatsch, die vielen Schründe, kreuz und quer, wild…
Dann gottseidank! Die rettenden Reposoir-Felsen sind erreicht, leichte Kletterei noch, aber fühlen uns wie auf einer sicheren Insel. Noch immer weit zur Hütte, endlich der letzte Gletscher, die Endmöräne – die Bocalette-Hütte!
Davor ein glücklicher Walkerpfeiler-Bezwinger, wie er halt vor 35 Jahren ausgesehen hat…

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Am nächsten Tag runter nach Entreves, hin zum „Philippo“. Das war eine berühmte Taverne in der man um einen Pauschalbetrag essen konnte, so viel man wollte. Ein schlechtes Geschäft für den Wirt….

Fazit: Genussreiche, gewaltige Tour, etwas getrübt durch das „Massenerlebnis“.
Anspruchsvoll, aber die Dru Nordwand war im Vergleich um einiges härter.
Wir hatten phantastische Verhältnisse und konnten die Route nahezu frei klettern.
Auch heute ist das keineswegs selbstverständlich und oft vergehen einige Sommer ohne passable Verhältnisse. Für ein Dry-Tooling-Abenteuer ist die Route aber definitiv zu schade!
Auch unser Schlachtplan, mittags einzusteigen, muss angesichts des inzwischen sicher noch größer gewordenen Permafrost-Problems (Steinschlag) kritisch hinterfragt werden.
Hoffentlich hat euch mein Bericht die Wartezeit auf das Christkind etwas verkürzt,
jedenfalls wünsche ich allen recht frohe Weihnachten!
LG
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