Spanien, Jakobsweg: Der Aragonesische Weg im Mai 2011 (ca. 180km)

[Schelli]

Der Eigentümer hat ein altes Gebäude jahrelang in mühsamer Kleinarbeit renoviert und umgestaltet, sei es den Steinboden, die Holzdecken oder die (damals) modernen Badezimmer – es war aus Pilgersicht sensationell!



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Eine weitere Überraschung war, dass wir an unserem letzten Abend auf dem Camino nochmals die gesamte Pilgerbande der letzten Tage wieder trafen!

Es ist in manchen Communen der Brauch, dass Pilger im Gemeindezentrum am Abend mit einem günstigen Pilgermenü verwöhnt werden. Spanien ist halt noch katholisch und hält etwas auf‘s Pilgern. Im Gemeindesaal angekommen, trafen wir unsere Italiener, Iren, Deutsche und ein deutsch/österreichisches Paar, dass am nächsten Tag in der mystischen Templer-Kirche Eunate heiraten wollte.

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Für die Italiener, Iren und uns war es ein feierlicher Abschied, während die meisten Anderen dem Camino nach Santiago folgten. Mit einem Lächeln erinnere ich mich an den geselligen Abend, der zu einen der schönsten Erinnerungen an den Camino gehört…

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[Schelli]

Etappe 7: Monreal über Eunate nach Obanos und Puente la Reina (33km)

So wie die Matrosen Seemannsbeine haben, waren unsere Pilgerbeine nach fast einer Woche wieder voll da. Nach einem herzhaften Frühstück führte unser Weg wieder durch die „Toskana“ und viele kleine (sicherlich uralte) Dörfer.

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Circa drei Kilometer vor Eunate machten wir eine Rast, wo eines der auf dem Camino seltenen Fotos von meinem Vater und mir entstand. So richtig kann ich unsere Mienen nicht mehr deuten. Aber wir waren schon etwas müde, freuten uns jedoch auf ein Wiedersehen mit der schönen Kirche in Eunate und ….

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[Schelli]

Der erste Blick auf Eunate

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Schon die Beschreibung im Reiseführer hat etwas mystisches. Die achteckige Grundform der romanischen Kirche, eigentlich Kapelle Santa Maria de Eunate, deutet darauf hin, dass diese vom Templer Ritterorden erbaut wurde. Die Templer orientieren sich angeblich gerne an der Grabeskirche in Jerusalem. Genaues weiß man aber nicht. So ist es auch eine Annahme, dass Santa Maria im 12. Jahrhundert gebaut wurde und dass sich daneben ein Hospiz der Johanniter befand. Belegt sind die Gräber von Pilgern rund um die Kapelle, welche im Rahmen archäologischer Ausgrabungen entdeckt wurden. In diesen fand man Jakobsmuscheln, das Zeichen der Pilger nach Santiago de Compostela.

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Man sagt, dass der Platz ein Kraftort sei und wenn man barfuß um die Kapelle ginge, man Energie aufnehmen würde. Es ist jedenfalls beachtlich, dass diese Kapelle mitten in einem Feld alleine steht. Die nächsten Besiedelungen sind doch mehr als zwei Kilometer entfernt. Der Name Eunate stammt aus dem Baskischen und bedeutet „100 Tore“, was auf den Umgang, sprich, die Bögen rund um die Kapelle hindeuten könnte. Besagter magischer Steinboden befindet sich zwischen den Außenmauern der Kapelle und diesen Arkaden.

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2008 übernachteten wir im Gebäude links auf dem unteren Foto und waren schon damals von der Ausstrahlung dieses Ortes begeistert. Relativ wenige Pilger nahmen den kleinen Umweg auf sich und verließen den nahe gelegenen navarrischen Weg, um Eunate aufzusuchen. Der Andrang der Pilger war zumindest 2008 in einem vernünftigen Rahmen und auch die Reisebusse waren damals am späten Nachmittag schon wieder weg.

Der Sonnenuntergang, das gemeinsame Abendessen mit unseren Mitpilgern und eine Andacht in der Kapelle waren für uns damals die Höhepunkte. Die Matratze auf dem Boden im Schlafsaal nicht ganz….

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Jedenfalls genossen wir unsere Erinnerungen und den Aufenthalt in Eunate und machten uns schließlich auf, die letzten zwei Kilometer des aragonesischen Wegs zu Ende zu schreiten.

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Der letzte Blick zurück…
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… und nach vorne mit Obanos in Sichtweite.

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Persönlich hat mir Obanos schon 2008 nicht gefallen, obwohl hier der aragonesische und navarrische Weg aufeinandertreffen und es schöne Kirchenportale gibt. Dem Ort fehlt es an Atmosphäre und Flair. Wenigstens die Kids hatten Spaß…

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[Schelli]

Es ist für mich nachvollziehbar, dass Obanos den Streit um das Zusammentreffen der beiden Wege trotz der offensichtlichen Fakten gegen den Ort Puente la Reina verloren hat. Vom Flair ist Puente einfach schöner und bietet mehr Ambiente. Offiziell treffen daher der aragonesische und navarrische Weg in Puente zusammen, obwohl das so nicht stimmt. Marketing ist eben alles….

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Vertouristisiert und verpilgert sind sie beide und wir haben es 2008 und auch 2011 vermieden, in beiden zu übernachten….

Was soll ich zum Abschluss sagen, als wir in Puente la Reina ankamen, war es eine harte Entscheidung, ein Taxi für die Fahrt nach Pamplona zu rufen. Eigentlich war es keine Entscheidung, da das Hotel in Pamplona bereits reserviert und die Flüge von Barcelona nach Wien schon längts gebucht waren.

So sehr wir uns auch freuten, dass wir die Gelegenheit genutzt hatten, den aragonesischen Weg vollständig zu gehen, so widerwillig verließen wir ihn bzw. den Camino Frances. Wir waren körperlich voll fit, geistig voll auf den Jakobsweg eingestimmt und brannten darauf die nächsten zig Etappen zu bewältigen. Wir waren voller Energie und Euphorie– Eunate!?

Wie ich schon an anderer Stelle geschrieben haben, taten wir alles um die Abfahrt zu verzögern. Wir besichtigten Puente la Reina, setzten uns in eine Bar, um dann wieder herumzuschlendern und uns wieder in eine Bar zu setzen. Gegen 19 Uhr konnten wir das Unaufhaltsame nicht mehr aufschieben und fuhren nach Pamplona, wo wir noch durch die Altstadt schlenderten und am nächsten Tag mit dem Schnellzug ALVE mit 200km/h nach Barcelona fuhren. Nach einer halbtätigen Besichtigung übernachteten wir am Flughafen, um am nächsten Tag den Flieger um 06:50 nach Wien zu besteigen.

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Und zu Barcelona passt auch noch mein letzter Schwank. Schon den ganzen Nachmittag tummelten sich die Menschenmassen, in Trikots des FC Barcelona gekleidet. Ach ja, am Abend war ja das Finale der Champions League zwischen Barca und Manchester United im Wembley Stadion in London.

Aufgrund der unchristlichen Flugzeit hatten wir uns ein Hotel direkt am Flughafen genommen. Als wir eintrafen und auf dem Zimmer den Fernseher einschalteten, stand es gegen Ende der ersten Halbzeit 1:1. Wir schauten noch ein bisschen und legten uns dann nieder. Kaum war das Licht abgedreht, hörten wir das Hupen sämtlicher Autos und Taxis der Umgebung und vor allem unter unserem Fenster. Barcelona hatte das 2:1 erzielt. Circa eine viertel Stunde später brach wieder die Hupenhölle los. Ich höre noch heute meinen Vater „Aha, 3:1“ murmeln….

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Für meinen Vater und mich war der aragonesische Weg ein perfekter Abschluss des Camino Frances. Der Weg von Urdos über den Somport Pass durch Aragon hatte alle Versprechen gehalten, welche die Reise-/Pilgerführer machten. Die unvergessliche Pilgergemeinschaft zu erleben, war eine besondere Draufgabe.

Ich bin dankbar, dass ich die Fotos von damals wiederentdeckt habe und den Camino Aragonés im Geist mit meinem Vater und den wiedererweckten Erinnerungen noch einmal gehen durfte. Es wird nicht das letzte Mal gewesen sein…

[Schelli]

Nachtrag:

Zu den aktuellen Pilgerstatistiken habe ich hier einen Beitrag verfasst:

Camino Frances - Pilgerstatistiken bis 11/2020 - Forum Gipfeltreffen

Interessant wird 2021 das Zusammenspiel aus COVID-19 und der Tatsache, dass nächstes Jahr wieder ein Heiliges Jahr ist....

LG
Schelli

[J.D.]

Wow, was für ein liebevoller und toller Bericht. vieleicht schaffe ich es auch mal ein Stück des Jakobswegs zu gehen. Mal sehen ... Danke für reinstellen

[Schelli]

Danke, J.D.!

Ich bin mir angesichts der seit 2008 (meine erste Erfahrung) extrem gestiegenen Pilgerzahlen nicht sicher, ob ich Dir den Camino wünschen soll...

Scherz beiseite, natürlich wünsche ich Dir tolle Erlebnisse, die man auf diesem Weg zweifelsohne haben kann!

Lg
Schelli

[Wolfgang A.]

Vielen Dank für deinen ausführlichen Bericht über den aragonesischen Weg!
Die vielen Bilder vermitteln einen guten Eindruck der Landschaft, der kulturellen Bauwerke und so mancher Details entlang der Strecke. Die persönliche Note des Textes fügt für mich nochmals etwas Eigenes hinzu.

Ich bin den Jakobsweg noch nicht gegangen. Die Landschaft und Kultur, der spezielle Charakter des Pilgerwegs und die Gemeinschaft auf dem Weg, die sich meist ergibt, könnten mich schon locken. Wenn nur die Frequenz zumindest nicht sehr viel höher wäre als bei euch im Frühjahr 2011...

Tatsächlich nur wenige Pilger getroffen haben mein bester Studienfreund und ich, als wir im Juni 2019 die ersten fünf Tagesetappen des Franziskusweges von Florenz bis Chiusi della Verna gingen. Grundsätzlich waren wir uns einig, dass wir dort weiter gehen wollten, wenn auch lieber bei etwas niedrigeren Temperaturen.

[Schelli]

Danke, Wolfgang!

Frage: Hast Du zum Franziskusweg einen Bericht ins Forum gestellt? Oder habe ich da etwas übersehen?

Der Franziskusweg steht so wie der Arctic Circle Trail in Grönland auf meiner To-Do-Liste. Reiseführer habe ich schon, ein Erfahrungsbericht wäre toll!

LG Schelli

[mountainrabbit]

Ich bin dankbar, dass ich die Fotos von damals wiederentdeckt habe und den Camino Aragonés im Geist mit meinem Vater und den wiedererweckten Erinnerungen noch einmal gehen durfte. Es wird nicht das letzte Mal gewesen sein

Und ich freue mich, dass ich Deinen ausgezeichneten und interessanten Bericht nun endlich lesen konnte. Jede Minute hat sich ausgezahlt.

Ich kann Dich sehr gut verstehen, zählen doch die Erinnerungsbilder der zahlreichen Wanderungen und Touren mit meinen Eltern zu meinen größten Schätzen.

Herzlichen Dank für die Mühe, die Du Dir gemacht hast.

LG, Günter

[Wolfgang A.]

Danke, Wolfgang!
Frage: Hast Du zum Franziskusweg einen Bericht ins Forum gestellt? Oder habe ich da etwas übersehen?
Der Franziskusweg steht so wie der Arctic Circle Trail in Grönland auf meiner To-Do-Liste. Reiseführer habe ich schon, ein Erfahrungsbericht wäre toll!
LG Schelli

Servus Schelli,
nein, du hast nichts übersehen: Ich habe keinen Bericht zum Franziskusweg verfasst.
Um unterwegs nicht zu oft stehenbleiben zu müssen, habe ich weniger als üblich fotografiert. Und für einen ausführlichen Text, der dies einigermaßen ausgleichen könnte, reichte die Zeit nach dem Urlaub nicht recht aus.

Dein Bericht ist allerdings eine starke Anregung dazu, mich bei guter Gelegenheit doch noch drüberzumachen - auch um die eigenen Erinnerungen lebendig zu halten.

[Schelli]

Danke, Günter!

@Wolfgang: Wäre toll, wenn Du einen Bericht schreibst!

LG
Schelli

[Schelli]

Langsam wird es ernst mit den Impfungen gegen COVID-19. Und da ich Optimist bin, gilt es denn Sommer zu planen....

Anbei sende ich Euch den offiziellen Link Galiziens zum Jakobsweg mit einem Verweis zum Heiligen Jahr, das nach 2010 heuer wieder stattfindet:

Das Heilige Jahr Compostelas - Der Jakobsweg in Galicien, offizielle Internetseite (caminodesantiago.gal)

Persönlich bin ich überzeugt, dass es ein geruhsames Heiliges Jahr wird. Es könnte eine Chance sein, den Jakobsweg von einer seiner schönsten Seiten mit wenigen Pilgern zu erleben.

Buen Camino y ultreia!

Schelli