Alpenverein gibt Steig auf den Hochkönig auf
Die Erhaltung des oberen Teils des Birgkarsteigs ist wegen der enormen Steinschlaggefahr und vieler tödlicher Unfälle nicht mehr zumutbar.
MÜHLBACH. Die Sektion Lend-Dienten des Alpenvereins (ÖAV) wurde 1894 gegründet. Den Birgkarsteig habe die Sektion immer schon betreut, sagt der Vorsitzende der Sektion, Albin Arlhofer. Der Steig führt von der Erichhütte oberhalb des Dientner Sattels, die auch der Sektion gehört, durch das berüchtigte Birgkar zum Matrashaus auf dem Gipfel des Hochkönigs. Jetzt ist diese Ära vorbei. Wegen der großen Steinschlaggefahr und zahlreicher Abstürze von Bergsteigern im Birgkar ist die Wartung des Steigs für die Sektion und ihre Wegewarte nicht mehr zumutbar. Man habe lang überlegt, sagt Arlhofer. Schließlich musste man sich schweren Herzens zu diesem Schritt entscheiden. Betroffen sind aber nur die obersten 300 Höhenmeter oberhalb des Notausstiegs des bekannten Königsjodler-Klettersteigs.
Arlhofer sagt, es gebe eine sehr starke Erosion in dem Gelände. Und durch den Klimawandel sei die Tendenz da, dass die Gipfel noch brüchiger und fragiler werden. „Nach jedem Winter und jedem Gewitter sieht man die Auswirkungen beim Steig.“ Ständig müssten die Wegewarte ausbessern. Der Steig sei ein Dauerpatient. „Was der Alpenverein bei der Wegerhaltung leistet, kann man nicht hoch genug schätzen. Aber alles hat seine Grenzen. Es ist mit ehrenamtlichem Aufwand nicht mehr zu machen, dass man den Steig und die Sicherungen so erhält, dass man die Leute guten Gewissens hineinlassen kann.“ Es sei traurig, wenn auf seinem Weg etwas passiere, und man mache sich dann natürlich Gedanken.
Wohl auf keinem Berg in Salzburg sind in den letzten 30 Jahren so viele Menschen tödlich abgestürzt wie im Birgkar. Roman Kurz, seit 27 Jahren Hüttenwirt auf dem Matrashaus, sagt, die meisten tödlichen Unfälle und Einsätze der Bergrettung gebe es im Birgkar. „In den letzten fünf Jahren ist relativ wenig passiert. Da gab es nur ein oder zwei Tote. Aber in meinen ersten 20 Jahren als Hüttenwirt hat es im Birgkar mehr als 20 Tote gegeben. Ich mag das Birgkar nicht und rate jedem, der mich fragt, von einer Begehung ab.“ Die große Steinschlaggefahr, schotterbedeckte Platten und teilweise bis in den August steile Schneefelder machten das Birgkar gefährlich. „Man befindet sich fast auf der gesamten Strecke im Absturzgelände.“ Da müsse jeder Schritt sitzen, und das mehrere Stunden lang.
Der Landesvorsitzende des Alpenvereins, Peter Kraus, sagt, er sei das Birgkar mehrmals gegangen und würde es auch aus Altersgründen nicht mehr tun. „Es ist ungut, vor allem abwärts. Bei den Platten, auf denen loser Schotter liegt, musst du genau aufpassen. Wenn es dir die Füße wegzieht, geht es runter. Im besten Fall kommt man dann mit schweren Abschürfungen davon.“ Ausrutschen und Stolpern sei dort nicht erlaubt.
Zum großen Problem ist das Birgkar 2001 mit der Errichtung des parallel dazu verlaufenden Königsjodlers geworden. Kraus sagt, Leute, die schon mit dem Klettersteig überfordert seien und den Notausstieg nehmen, müssten dann durch das Birgkar herunter. Auch viele, die den extrem langen Klettersteig schaffen, seien acht Stunden auf dem Weg und dann fix und fertig. Da ist es schwierig, die Konzentration im Birgkar hochzuhalten. Roman Kurz sagt, viele würden das Birgkar zum Abstieg wählen, weil das auf der Karte kürzer und schneller aussehe als der Normalweg über das Arthurhaus. „Aber das gilt nur für Alpinisten, die sich flott und mühelos im Abstiegsgelände bewegen. Andere sieht man teilweise auf allen Vieren hinunterkriechen. Da bist du auf dem Normalweg schneller.“
Auch der Wegereferent in der ÖAV-Zentrale in Innsbruck, Marco Gabl, sagt, wegen der extremen Gefährdung durch Steinschlag sei die Erhaltung des Steigs oben der Sektion nicht mehr zumutbar. „Es ist immer schwieriger geworden. Dazu kommt die Verkehrssicherungspflicht, auch wenn bei schwarzen Wegen wie dort die Eigenverantwortlichkeit groß ist.“ In Zukunft betritt man das Gelände in völliger Eigenverantwortung. Es ist aber nicht gesperrt. Gabl sagt, der obere Teil sei zu einer sogenannten Alpinen Route umgewidmet worden. Der Weg, die Sicherungen und die Markierungen würden nicht mehr gewartet und sich selbst überlassen. Es handelt sich nun um freies Gelände. „Da die Nutzerfrequenz nicht hoch ist, wird der Weg vermutlich zum Teil bald nicht mehr sichtbar sein.“
Eine Aufgabe des unteren Teils des Steigs sei kein Thema, sagt Arlhofer. Die Möglichkeit des Notausstiegs bleibt vorhanden. Gerade im unteren Teil, wenn beim Abstieg Konzentration und Kraft nachließen, passiere aber am meisten.
Das bestätigt auch die Bergrettung. Der Ortsstellenleiter der Bergrettung Mühlbach, in deren Einsatzgebiet das Birgkar liegt, Wolfgang Haggenmüller, sagt, es gebe mehr Einsätze im unteren Teil. Im Durchschnitt komme es im Jahr zu zehn Einsätzen im Birgkar. Etwa die Hälfte davon seien reine Hubschrauberbergungen, bei denen die Bergrettung im Tal bleibe. Im Birgkar werde, wenn es gehe, immer der Hubschrauber eingesetzt. Eine Bergung am Boden aus dem oberen Bereich sei fast nicht zumutbar. „Wir brauchen auch drei Stunden hinauf.“ Dass sich durch die Aufgabe des Wegabschnitts viel an der Zahl der Einsätze ändert, glaubt Haggenmüller nicht.
Der Alpenverein hofft, dass die Umwidmung in eine Alpine Route ein Signal sei, das manche davon abhält, den Weg zu benutzen.
Von Anton Kaindl
Salzburger Nachrichten, 20.06.2025
https://www.sn.at/salzburg/chronik/a...enig-180178846
Die Erhaltung des oberen Teils des Birgkarsteigs ist wegen der enormen Steinschlaggefahr und vieler tödlicher Unfälle nicht mehr zumutbar.
MÜHLBACH. Die Sektion Lend-Dienten des Alpenvereins (ÖAV) wurde 1894 gegründet. Den Birgkarsteig habe die Sektion immer schon betreut, sagt der Vorsitzende der Sektion, Albin Arlhofer. Der Steig führt von der Erichhütte oberhalb des Dientner Sattels, die auch der Sektion gehört, durch das berüchtigte Birgkar zum Matrashaus auf dem Gipfel des Hochkönigs. Jetzt ist diese Ära vorbei. Wegen der großen Steinschlaggefahr und zahlreicher Abstürze von Bergsteigern im Birgkar ist die Wartung des Steigs für die Sektion und ihre Wegewarte nicht mehr zumutbar. Man habe lang überlegt, sagt Arlhofer. Schließlich musste man sich schweren Herzens zu diesem Schritt entscheiden. Betroffen sind aber nur die obersten 300 Höhenmeter oberhalb des Notausstiegs des bekannten Königsjodler-Klettersteigs.
Arlhofer sagt, es gebe eine sehr starke Erosion in dem Gelände. Und durch den Klimawandel sei die Tendenz da, dass die Gipfel noch brüchiger und fragiler werden. „Nach jedem Winter und jedem Gewitter sieht man die Auswirkungen beim Steig.“ Ständig müssten die Wegewarte ausbessern. Der Steig sei ein Dauerpatient. „Was der Alpenverein bei der Wegerhaltung leistet, kann man nicht hoch genug schätzen. Aber alles hat seine Grenzen. Es ist mit ehrenamtlichem Aufwand nicht mehr zu machen, dass man den Steig und die Sicherungen so erhält, dass man die Leute guten Gewissens hineinlassen kann.“ Es sei traurig, wenn auf seinem Weg etwas passiere, und man mache sich dann natürlich Gedanken.
Wohl auf keinem Berg in Salzburg sind in den letzten 30 Jahren so viele Menschen tödlich abgestürzt wie im Birgkar. Roman Kurz, seit 27 Jahren Hüttenwirt auf dem Matrashaus, sagt, die meisten tödlichen Unfälle und Einsätze der Bergrettung gebe es im Birgkar. „In den letzten fünf Jahren ist relativ wenig passiert. Da gab es nur ein oder zwei Tote. Aber in meinen ersten 20 Jahren als Hüttenwirt hat es im Birgkar mehr als 20 Tote gegeben. Ich mag das Birgkar nicht und rate jedem, der mich fragt, von einer Begehung ab.“ Die große Steinschlaggefahr, schotterbedeckte Platten und teilweise bis in den August steile Schneefelder machten das Birgkar gefährlich. „Man befindet sich fast auf der gesamten Strecke im Absturzgelände.“ Da müsse jeder Schritt sitzen, und das mehrere Stunden lang.
Der Landesvorsitzende des Alpenvereins, Peter Kraus, sagt, er sei das Birgkar mehrmals gegangen und würde es auch aus Altersgründen nicht mehr tun. „Es ist ungut, vor allem abwärts. Bei den Platten, auf denen loser Schotter liegt, musst du genau aufpassen. Wenn es dir die Füße wegzieht, geht es runter. Im besten Fall kommt man dann mit schweren Abschürfungen davon.“ Ausrutschen und Stolpern sei dort nicht erlaubt.
Zum großen Problem ist das Birgkar 2001 mit der Errichtung des parallel dazu verlaufenden Königsjodlers geworden. Kraus sagt, Leute, die schon mit dem Klettersteig überfordert seien und den Notausstieg nehmen, müssten dann durch das Birgkar herunter. Auch viele, die den extrem langen Klettersteig schaffen, seien acht Stunden auf dem Weg und dann fix und fertig. Da ist es schwierig, die Konzentration im Birgkar hochzuhalten. Roman Kurz sagt, viele würden das Birgkar zum Abstieg wählen, weil das auf der Karte kürzer und schneller aussehe als der Normalweg über das Arthurhaus. „Aber das gilt nur für Alpinisten, die sich flott und mühelos im Abstiegsgelände bewegen. Andere sieht man teilweise auf allen Vieren hinunterkriechen. Da bist du auf dem Normalweg schneller.“
Auch der Wegereferent in der ÖAV-Zentrale in Innsbruck, Marco Gabl, sagt, wegen der extremen Gefährdung durch Steinschlag sei die Erhaltung des Steigs oben der Sektion nicht mehr zumutbar. „Es ist immer schwieriger geworden. Dazu kommt die Verkehrssicherungspflicht, auch wenn bei schwarzen Wegen wie dort die Eigenverantwortlichkeit groß ist.“ In Zukunft betritt man das Gelände in völliger Eigenverantwortung. Es ist aber nicht gesperrt. Gabl sagt, der obere Teil sei zu einer sogenannten Alpinen Route umgewidmet worden. Der Weg, die Sicherungen und die Markierungen würden nicht mehr gewartet und sich selbst überlassen. Es handelt sich nun um freies Gelände. „Da die Nutzerfrequenz nicht hoch ist, wird der Weg vermutlich zum Teil bald nicht mehr sichtbar sein.“
Eine Aufgabe des unteren Teils des Steigs sei kein Thema, sagt Arlhofer. Die Möglichkeit des Notausstiegs bleibt vorhanden. Gerade im unteren Teil, wenn beim Abstieg Konzentration und Kraft nachließen, passiere aber am meisten.
Das bestätigt auch die Bergrettung. Der Ortsstellenleiter der Bergrettung Mühlbach, in deren Einsatzgebiet das Birgkar liegt, Wolfgang Haggenmüller, sagt, es gebe mehr Einsätze im unteren Teil. Im Durchschnitt komme es im Jahr zu zehn Einsätzen im Birgkar. Etwa die Hälfte davon seien reine Hubschrauberbergungen, bei denen die Bergrettung im Tal bleibe. Im Birgkar werde, wenn es gehe, immer der Hubschrauber eingesetzt. Eine Bergung am Boden aus dem oberen Bereich sei fast nicht zumutbar. „Wir brauchen auch drei Stunden hinauf.“ Dass sich durch die Aufgabe des Wegabschnitts viel an der Zahl der Einsätze ändert, glaubt Haggenmüller nicht.
Der Alpenverein hofft, dass die Umwidmung in eine Alpine Route ein Signal sei, das manche davon abhält, den Weg zu benutzen.
Von Anton Kaindl
Salzburger Nachrichten, 20.06.2025
https://www.sn.at/salzburg/chronik/a...enig-180178846
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