In Andermatt am Gotthardpass gibt es eine militärische Gebirgs-Ausbildungsschule (in Österreich heissen solche Soldaten wohl "Gebirgsjäger"). Die Ausbildner und Rekruten bauten vor Jahren einen Klettersteig oberhalb der Teufelsbrücke in der Schöllenenschlucht. Wer in der Schweiz wohnt, kennt die Geschichtsträchtigkeit der Gegend: Der Gotthard war eigentlich eine kurze Verbindung zwischen Nord und Süd, aber im Mittelalter musste die Schöllenenschlucht umgangen werden, was einen weiteren Auf- und Abstieg bedeutete. Bis die tüchtigen Leute von Göschenen an der schmalsten Stelle der Schlucht eine kühne Brücke über die Reuss bauten. Es geht die Sage, dass ihnen der Teufel himself Unterstützung beim Bau anbot, wenn er dafür die erste Seele bekäme, die über die fertige Brücke ginge. Die Göschener akzeptierten den Vertrag, schickten dann aber als erstes einen Ziegenbock über die Brücke, was den Teufel wohl masslos ärgerte. Seitdem florierte das Geschäft mit dem Saumweg über den Gotthard so richtig. Und der Klettersteig heisst Diavolo.

Es gibt noch mehr Geschichte in der Schöllenenschlucht: Der Einstieg zum Klettersteig befindet sich unmittelbar beim Suworow-Denkmal. 1799 kämpften in der Schöllenenschlucht Russen gegen Franzosen, die russischen Truppen siegten und Suworow gilt bis heute als grosser Militärstratege. Auf dem Mäuerchen beim Denkmal macht man sich für den Klettersteig bereit, und tatsächlich tauchte eine Gruppe Russen auf, welche die Gedenkstätte besuchten und zu Ehren der gefallenen Soldaten eine Flasche Wein leerten. Später sah ich vom Steig aus ein ständiges Kommen und Gehen von Besuchern.

Man wandert von Andermatt etwa eine Viertelstunde lang in die Schlucht und beginnt wie gesagt beim Denkmal mit dem Klettersteig. Ich fand ihn etwas heterogen: in der ersten Hälfte viele Bügel, die über schöne Platten führen, im oberen Teil viel mehr Bänder, Weglein, kleine Aufschwünge und kurze Kraxelstellen, die ich stellenweise etwas anstrengend fand. Insgesamt ist aber der Steig nicht schwierig. 450 Höhenmeter, durchgehend Drahtseile. Imposant ist der Tiefblick in die Schlucht mit Brücken, Strassen und der Eisenbahn Göschenen-Andermatt. Die Autobahn führt nicht durch die Schlucht, sondern geht von Göschenen bis Airolo durch den Strassentunnel.

Oben angekommen findet man eine leider etwas schiefe Bank und eine Schweizerfahne. Dann kann man fast ebenwegs zur Bahnstation Nätschen wandern oder nach Andermatt absteigen, ca. 50 min.

Fazit: Guter Steig für Leute, die einmal einen etwas längeren, aber nicht besonders schwierigen Klettersteig begehen wollen. Eine einzige senkrechte Leiter, ansonsten nicht senkrecht (ein Wändchen etwa in der Mitte mit vielen Bügeln ist zwar sehr steil, aber nicht senkrecht). Interessantes Ambiente, eine Mischung aus Natur, Verkehrswegen und Geschichte.


Tiefblick zur jungen Reuss und den Verkehrswegen

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