Gletschertagebuch 04.06.2014
Zwiespältige Winterbilanz: Wärme und Schnee
Es war ein Winter der Gegensätze: Während es im Norden wenig Niederschlag gab und der Föhn den Gletschern zusetzte, fiel im Süden der Schnee in Rekordmengen vom Himmel. Dementsprechend fällt die Winterbilanz für einzelne österreichische Gletscher überdurchschnittlich positiv, für andere jedoch auch unter dem Mittel aus.
Die Eismänner verhalfen den Gletschern zu mehr Schnee, schreiben die Glaziologen Heinz Slupetzky und Andrea Fischer in ihrem regelmäßig in science.ORF.at erscheinenden Gletschertagebuch. Wieviel vom Winterschnee am Ende des Sommers tatsächlich noch da sein wird - darüber entscheidet wie so oft das kommende Sommerwetter.
Die Winterbilanzen der Gletscher
von Heinz Slupetzky und Andrea Fischer
Der vergangene Winter war ein Beispiel dafür, wie unterschiedlich sich die Wetterlagen in der Verteilung des Niederschlags auswirken können. Rekordmengen im Hochwinter im Stau an der Alpensüdseite, Schneearmut auf der föhnigen Nordseite. Es war spannend zu sehen, wie sich die Akkumulation des Schnees auf die einzelnen Gletscher ausgewirkt hat. Und nachdem auch die diesmal sehr pünktlichen Eismänner vorbei sind, rundet sich das Bild ab.
Anfang Mai bis Mitte Mai werden die Winterbilanzen erhoben, in diesem Zeitraum liegt im Allgemeinen der meiste Schnee auf den Gletschern und markiert das Maximum an Massenzuwachs im Haushaltsjahr. Es ist das aber nur die Brutto-Einnahme, ab jetzt beginnt mit der "sommerlichen" Schmelzperiode die Ausgabenseite, nach und nach zuerst der Winterschnee, an den tiefliegenden Zungenende ist er als erstes komplett abgeschmolzen, Eis beginnt auszuapern.
Da im Spätfrühjahr die Tage lang sind und die Sonne hoch steht, ist die schützende Schneedecke auf dem Eis besonders wichtig. Je mehr Schnee liegt umso später apert Eis aus und schmilzt ab; ab dann geht es an die Substanz der Gletscher. Die Eismänner haben eine "willkommene" Verzögerung des Schneedeckenabbaus gebracht.
Unterschiedliche Bilanzen
Entsprechend der winterlichen Wetterlagen und damit Stau an der Südseite der Hohen Tauern haben das Mullwitzkees Kees (südliche Venedigergruppe), die Pasterze (Glocknergruppe) und das Kleinfleißkees durch eine etwas überdurchschnittliche Schneerücklage profitiert. Je weiter weg vom Zentrum der Starkniederschläge, umso geringer waren die Auswirkungen. Hier kann man sich mithilfe einer Übersichtskarte einen Eindruck von der Schneeentwicklung verschaffen.
Die Niederschläge haben regional nur begrenzt auf die Nordseite (mit außerordentlich vielen Südföntagen) übergegriffen. Die Gletscher nahe dem Alpenhauptkamm bekamen daher unterschiedlich viel Schnee. Am Goldbergkees (Rauriser Sonnblick) wurde 4,35 m mittlere Schneehöhe, das ist um 10% mehr im Vergleich zum langjährigen Mittel, gemessen (ZAMG). Am Venedigerkees lag die Schneehöhe im Durchschnitt der beiden Vorjahre.
Mäßige Niederschläge in den Zentralalpen
Weiter nach Westen ging es den Gletschern nahe dem Zentralalpenhauptkamm mäßig gut. Am Vernagtferner und Hintereisferner in den Ötztaler Alpen lag jeweils leicht überdurchschnittlich viel Schnee. Bei letzterem Gletscher bedeutet das im Mittel 3,23 m (aus 185 Sondierungen!). Hier muss man berücksichtigen, dass die geringeren Schneehöhen im Vergleich zu den Hohen Tauern relativ zu sehen sind, da die Ötztaler Alpen eine Gebirgsgruppe mit weniger Jahresniederschlag ist.
Noch weiter westlich hörte der Einfluss der starken Winterniederschläge auf, im Gegenteil, der Jamtalferner in der Silvrettagruppe hatte etwa um 20% weniger Schneeakkumulation als im Mittel der letzten 15 Jahre. Der Hallstätter Gletscher am Dachstein in den Nördlichen Kalkalpen wurde eben so unterdurchschnittlich mit Schnee "bedacht".
Ein Blick über die Grenze
Wie ging es den Gletschern in Gebieten mit winterlichen Rekordschneemengen? In Südtirol haben die ergiebigen Hochwinterniederschläge zu deutlich überdurchschnittlichen Winterbilanzen geführt. So rechnet man z. B. am Weissbrunnferner im hinteren Ultental mit einer Akkumulation etwa zwei Mal so viel wie im langjährigen Mittel! Nicht ganz so überdurchschnittlich sind die Winterbilanzen im Süden der westlichen Ötztaler und Zillertaler Alpen so wie in der Rieserferner Gruppe ausgefallen (Roberto Dinale, Hydrographisches Amt der Autonomen Provinz Bozen).
Und in den Westalpen? Matthias Huss (Universität Freiburg) berichtet: "Generell sieht das Bild in der Schweiz sehr ähnlich aus wie in Österreich. Gletscher am Alpennordhang hatten deutlich unterdurchschnittliche Akkumulation (Pizol ca. -25% unter dem Mittel). Auch die Gletscher am nördlichen Alpenhauptkamm hatten eher unterdurchschnittlich Schnee, jedoch nicht so deutlich, im westlichen Teil entsprechen die Schneemengen etwa dem Durchschnitt. Die Gletscher am südlichen Alpenhauptkamm (Südeinfluss) scheinen leicht überdurchschnittliche Akkumulation zu zeigen (z.B. Findelen bei Zermatt), jedoch weniger stark als wir dies erwartet hätten (ca. +20%). Im Engadin (Südeinfluss) lag in hohen Bereichen mehr Schnee als normal (ca. +30% ?), aber nicht extrem viel mehr" (Schweizerisches Gletschermessnetz).
Eismänner: Willkommener Schneezuwachs
Sogenannte Singularitäten sind typische Wetterphasen, die mehr oder weniger um dieselbe Zeit auftreten. Dazu gehören die Eismänner, die heuer pünktlich wie selten eintrafen. Sie hatten für die Gletscher Gutes. Sie brachten einen beträchtlichen Schneezuwachs zu dem schon auf den Gletschern liegenden Winterschnee.
Vom 10. bis 19. Mai war an der Wetterstation Rudolfshütte die Summe des Neuschneezuwachses gut ein Meter. Die Anfang Mai auf den Gletschern regional unterschiedliche Schneeverteilung hat sich dadurch verändert. Die Gletscher an der Alpennordseite, die vor den Eismännern Schneedefizite aufgewiesen haben, konnten durch den Schneezuwachs wieder etwas aufholen; dazu gehört auch der Hallstätter Gletscher am Dachstein.
Der Winter am Stubacher Sonnblickkees
Anfang Mai gab es beim Messpunkt in 2.500 m Seehöhe eine Schneedecke von 3,40 m, das war gut 20 % mehr als das Mittel der letzten 10 Jahre. Am 23. Mai lagen nur mehr 2,87 m Schnee. Da sich die Abschmelzung fortsetzen wird, ist Anfang Juni mit einer Gesamtschneehöhe von +- 2,3 m zu rechnen.
Bei einem längerfristigen Vergleich - die Messreihe ist ab 1973 vollständig - muss man die 2,4 m relativieren: Das ist um einen Meter (!) weniger als das langjährige Mittel von 3,5 m. Dazu kommt ein weiterer Gesichtspunkt: Am Messpunkt lagen in der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre jährlich noch über 4,5 m Altschnee, mit einem Maximum von fast 6 m(!) im Jahr 1975.
Wüstensand mischt mit
Die diesjährige Winterbilanz am Stubacher Sonnblickkdees gibt - beispielhaft auch für die anderen Gletscher - keinen Anlass zu Optimismus! Kaum waren die Eismänner vorbei, setzte die Abschmelzung mit der heuer ersten warmen Wetterphase mit Höchsttemperaturen von über 30 ° C (am 22.5. 33° in Salzburg). Die Nullgradgrenze stieg über 3.500 m, womit die Schneeschmelze erstmals auch die Nährgebiete der Gletscher voll erfasste.
Und wieder einmal mischt Wüstenstaub mit: Zweimal wurde Anfang April Saharastaub auf der Winterschneedecke abgelagert und eingeschneit. Im Mai kam, nachdem der überlagernde "Eismännerschnee" abgeschmolzen war, diese ocker-rötlich-graue Schicht an die Oberfläche (auf der Zunge der Pasterze gut sichtbar). Ein neuerlicher, starker Saharastaubfall um den 22. Mai brachte eine zusätzliche Verschmutzung. Diese etwas dunklere Schichte absorbiert mehr Strahlung, die zusätzliche Wärme verstärkt den Schmelzprozess. Das sind Vorgänge, die nicht vorhersehbar sind, und eine "Prognose" erschweren.
Zeit der Schmelze ist noch lang
Wie könnte es weitergehen? Eine nicht wirklich zu beantwortende Frage. Die für die Gletscherbilanzen wichtigste Zeit der Eisabschmelzung ist noch lang. Die Kombination von nun relativ wenig Altschnee auf vielen Gletschern und erheblichem Wüstenstaub ist ein sehr ungünstiger Start in den Sommer. Auch die Meteorologen könnten nur mit Wahrscheinlichkeiten rechnen und nicht angeben, ob und wie heiß es heuer werden wird.
Eine echte Prognose, wie die Gletscher am Ende des Sommers abschneiden werden, ist nicht möglich, allenfalls mögliche Szenarien, z. B. wenn der Sommer viel zu warm wird, dann verlieren die Gletscher viel an Eissubstanz.
Die Gletscher schmelzen
Die neun Jahre 2002 bis 2007 und 2009, 2010 sowie 2013 zählen zu den weltweit wärmsten in der Zeit zwischen 1880 und 2013 (Quelle: National Oceanic and Atmospheric Administration, NOAA. In fast allen Jahren dieses Jahrzehnts gab es um rund 0,6 °C höhere Jahresmitteltemperaturen.
Auch die Zentralanstalt für Meteorologie sieht eine Tendenz hin zu leicht überdurchschnittlichen Temperaturen im kommenden Sommer. Man könnte also vorsichtig "prognostizieren": Die Alpengletscher werden wieder mehr oder weniger an Eismasse verlieren.
Heinz Slupetzky ist Professor i. R. am Fachbereich Geografie und Geologie der Universität Salzburg. Er war Leiter der Abteilung für Gletscher- und vergleichende Hochgebirgsforschung sowie der Hochgebirgs- und Nationalparkforschungsstelle Rudolfshütte.
Andrea Fischer ist Gletscherforscherin am Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Innsbruck. Ihr Hauptforschungsgebiet sind Gebirgsgletscher und deren Änderung im Klimawandel.
Für science.ORF.at führt Heinz Slupetzky seit 2003 ein Gletschertagebuch - in diesen Jahren ging es mit dem Gletschereis stetig bergab, ein Ende des Trends ist nicht abzusehen.
Quelle: http://science.orf.at/stories/1739590/
Zwiespältige Winterbilanz: Wärme und Schnee
Es war ein Winter der Gegensätze: Während es im Norden wenig Niederschlag gab und der Föhn den Gletschern zusetzte, fiel im Süden der Schnee in Rekordmengen vom Himmel. Dementsprechend fällt die Winterbilanz für einzelne österreichische Gletscher überdurchschnittlich positiv, für andere jedoch auch unter dem Mittel aus.
Die Eismänner verhalfen den Gletschern zu mehr Schnee, schreiben die Glaziologen Heinz Slupetzky und Andrea Fischer in ihrem regelmäßig in science.ORF.at erscheinenden Gletschertagebuch. Wieviel vom Winterschnee am Ende des Sommers tatsächlich noch da sein wird - darüber entscheidet wie so oft das kommende Sommerwetter.
Die Winterbilanzen der Gletscher
von Heinz Slupetzky und Andrea Fischer
Der vergangene Winter war ein Beispiel dafür, wie unterschiedlich sich die Wetterlagen in der Verteilung des Niederschlags auswirken können. Rekordmengen im Hochwinter im Stau an der Alpensüdseite, Schneearmut auf der föhnigen Nordseite. Es war spannend zu sehen, wie sich die Akkumulation des Schnees auf die einzelnen Gletscher ausgewirkt hat. Und nachdem auch die diesmal sehr pünktlichen Eismänner vorbei sind, rundet sich das Bild ab.
Anfang Mai bis Mitte Mai werden die Winterbilanzen erhoben, in diesem Zeitraum liegt im Allgemeinen der meiste Schnee auf den Gletschern und markiert das Maximum an Massenzuwachs im Haushaltsjahr. Es ist das aber nur die Brutto-Einnahme, ab jetzt beginnt mit der "sommerlichen" Schmelzperiode die Ausgabenseite, nach und nach zuerst der Winterschnee, an den tiefliegenden Zungenende ist er als erstes komplett abgeschmolzen, Eis beginnt auszuapern.
Da im Spätfrühjahr die Tage lang sind und die Sonne hoch steht, ist die schützende Schneedecke auf dem Eis besonders wichtig. Je mehr Schnee liegt umso später apert Eis aus und schmilzt ab; ab dann geht es an die Substanz der Gletscher. Die Eismänner haben eine "willkommene" Verzögerung des Schneedeckenabbaus gebracht.
Unterschiedliche Bilanzen
Entsprechend der winterlichen Wetterlagen und damit Stau an der Südseite der Hohen Tauern haben das Mullwitzkees Kees (südliche Venedigergruppe), die Pasterze (Glocknergruppe) und das Kleinfleißkees durch eine etwas überdurchschnittliche Schneerücklage profitiert. Je weiter weg vom Zentrum der Starkniederschläge, umso geringer waren die Auswirkungen. Hier kann man sich mithilfe einer Übersichtskarte einen Eindruck von der Schneeentwicklung verschaffen.
Die Niederschläge haben regional nur begrenzt auf die Nordseite (mit außerordentlich vielen Südföntagen) übergegriffen. Die Gletscher nahe dem Alpenhauptkamm bekamen daher unterschiedlich viel Schnee. Am Goldbergkees (Rauriser Sonnblick) wurde 4,35 m mittlere Schneehöhe, das ist um 10% mehr im Vergleich zum langjährigen Mittel, gemessen (ZAMG). Am Venedigerkees lag die Schneehöhe im Durchschnitt der beiden Vorjahre.
Mäßige Niederschläge in den Zentralalpen
Weiter nach Westen ging es den Gletschern nahe dem Zentralalpenhauptkamm mäßig gut. Am Vernagtferner und Hintereisferner in den Ötztaler Alpen lag jeweils leicht überdurchschnittlich viel Schnee. Bei letzterem Gletscher bedeutet das im Mittel 3,23 m (aus 185 Sondierungen!). Hier muss man berücksichtigen, dass die geringeren Schneehöhen im Vergleich zu den Hohen Tauern relativ zu sehen sind, da die Ötztaler Alpen eine Gebirgsgruppe mit weniger Jahresniederschlag ist.
Noch weiter westlich hörte der Einfluss der starken Winterniederschläge auf, im Gegenteil, der Jamtalferner in der Silvrettagruppe hatte etwa um 20% weniger Schneeakkumulation als im Mittel der letzten 15 Jahre. Der Hallstätter Gletscher am Dachstein in den Nördlichen Kalkalpen wurde eben so unterdurchschnittlich mit Schnee "bedacht".
Ein Blick über die Grenze
Wie ging es den Gletschern in Gebieten mit winterlichen Rekordschneemengen? In Südtirol haben die ergiebigen Hochwinterniederschläge zu deutlich überdurchschnittlichen Winterbilanzen geführt. So rechnet man z. B. am Weissbrunnferner im hinteren Ultental mit einer Akkumulation etwa zwei Mal so viel wie im langjährigen Mittel! Nicht ganz so überdurchschnittlich sind die Winterbilanzen im Süden der westlichen Ötztaler und Zillertaler Alpen so wie in der Rieserferner Gruppe ausgefallen (Roberto Dinale, Hydrographisches Amt der Autonomen Provinz Bozen).
Und in den Westalpen? Matthias Huss (Universität Freiburg) berichtet: "Generell sieht das Bild in der Schweiz sehr ähnlich aus wie in Österreich. Gletscher am Alpennordhang hatten deutlich unterdurchschnittliche Akkumulation (Pizol ca. -25% unter dem Mittel). Auch die Gletscher am nördlichen Alpenhauptkamm hatten eher unterdurchschnittlich Schnee, jedoch nicht so deutlich, im westlichen Teil entsprechen die Schneemengen etwa dem Durchschnitt. Die Gletscher am südlichen Alpenhauptkamm (Südeinfluss) scheinen leicht überdurchschnittliche Akkumulation zu zeigen (z.B. Findelen bei Zermatt), jedoch weniger stark als wir dies erwartet hätten (ca. +20%). Im Engadin (Südeinfluss) lag in hohen Bereichen mehr Schnee als normal (ca. +30% ?), aber nicht extrem viel mehr" (Schweizerisches Gletschermessnetz).
Eismänner: Willkommener Schneezuwachs
Sogenannte Singularitäten sind typische Wetterphasen, die mehr oder weniger um dieselbe Zeit auftreten. Dazu gehören die Eismänner, die heuer pünktlich wie selten eintrafen. Sie hatten für die Gletscher Gutes. Sie brachten einen beträchtlichen Schneezuwachs zu dem schon auf den Gletschern liegenden Winterschnee.
Vom 10. bis 19. Mai war an der Wetterstation Rudolfshütte die Summe des Neuschneezuwachses gut ein Meter. Die Anfang Mai auf den Gletschern regional unterschiedliche Schneeverteilung hat sich dadurch verändert. Die Gletscher an der Alpennordseite, die vor den Eismännern Schneedefizite aufgewiesen haben, konnten durch den Schneezuwachs wieder etwas aufholen; dazu gehört auch der Hallstätter Gletscher am Dachstein.
Der Winter am Stubacher Sonnblickkees
Anfang Mai gab es beim Messpunkt in 2.500 m Seehöhe eine Schneedecke von 3,40 m, das war gut 20 % mehr als das Mittel der letzten 10 Jahre. Am 23. Mai lagen nur mehr 2,87 m Schnee. Da sich die Abschmelzung fortsetzen wird, ist Anfang Juni mit einer Gesamtschneehöhe von +- 2,3 m zu rechnen.
Bei einem längerfristigen Vergleich - die Messreihe ist ab 1973 vollständig - muss man die 2,4 m relativieren: Das ist um einen Meter (!) weniger als das langjährige Mittel von 3,5 m. Dazu kommt ein weiterer Gesichtspunkt: Am Messpunkt lagen in der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre jährlich noch über 4,5 m Altschnee, mit einem Maximum von fast 6 m(!) im Jahr 1975.
Wüstensand mischt mit
Die diesjährige Winterbilanz am Stubacher Sonnblickkdees gibt - beispielhaft auch für die anderen Gletscher - keinen Anlass zu Optimismus! Kaum waren die Eismänner vorbei, setzte die Abschmelzung mit der heuer ersten warmen Wetterphase mit Höchsttemperaturen von über 30 ° C (am 22.5. 33° in Salzburg). Die Nullgradgrenze stieg über 3.500 m, womit die Schneeschmelze erstmals auch die Nährgebiete der Gletscher voll erfasste.
Und wieder einmal mischt Wüstenstaub mit: Zweimal wurde Anfang April Saharastaub auf der Winterschneedecke abgelagert und eingeschneit. Im Mai kam, nachdem der überlagernde "Eismännerschnee" abgeschmolzen war, diese ocker-rötlich-graue Schicht an die Oberfläche (auf der Zunge der Pasterze gut sichtbar). Ein neuerlicher, starker Saharastaubfall um den 22. Mai brachte eine zusätzliche Verschmutzung. Diese etwas dunklere Schichte absorbiert mehr Strahlung, die zusätzliche Wärme verstärkt den Schmelzprozess. Das sind Vorgänge, die nicht vorhersehbar sind, und eine "Prognose" erschweren.
Zeit der Schmelze ist noch lang
Wie könnte es weitergehen? Eine nicht wirklich zu beantwortende Frage. Die für die Gletscherbilanzen wichtigste Zeit der Eisabschmelzung ist noch lang. Die Kombination von nun relativ wenig Altschnee auf vielen Gletschern und erheblichem Wüstenstaub ist ein sehr ungünstiger Start in den Sommer. Auch die Meteorologen könnten nur mit Wahrscheinlichkeiten rechnen und nicht angeben, ob und wie heiß es heuer werden wird.
Eine echte Prognose, wie die Gletscher am Ende des Sommers abschneiden werden, ist nicht möglich, allenfalls mögliche Szenarien, z. B. wenn der Sommer viel zu warm wird, dann verlieren die Gletscher viel an Eissubstanz.
Die Gletscher schmelzen
Die neun Jahre 2002 bis 2007 und 2009, 2010 sowie 2013 zählen zu den weltweit wärmsten in der Zeit zwischen 1880 und 2013 (Quelle: National Oceanic and Atmospheric Administration, NOAA. In fast allen Jahren dieses Jahrzehnts gab es um rund 0,6 °C höhere Jahresmitteltemperaturen.
Auch die Zentralanstalt für Meteorologie sieht eine Tendenz hin zu leicht überdurchschnittlichen Temperaturen im kommenden Sommer. Man könnte also vorsichtig "prognostizieren": Die Alpengletscher werden wieder mehr oder weniger an Eismasse verlieren.
Heinz Slupetzky ist Professor i. R. am Fachbereich Geografie und Geologie der Universität Salzburg. Er war Leiter der Abteilung für Gletscher- und vergleichende Hochgebirgsforschung sowie der Hochgebirgs- und Nationalparkforschungsstelle Rudolfshütte.
Andrea Fischer ist Gletscherforscherin am Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Innsbruck. Ihr Hauptforschungsgebiet sind Gebirgsgletscher und deren Änderung im Klimawandel.
Für science.ORF.at führt Heinz Slupetzky seit 2003 ein Gletschertagebuch - in diesen Jahren ging es mit dem Gletschereis stetig bergab, ein Ende des Trends ist nicht abzusehen.
Quelle: http://science.orf.at/stories/1739590/